Bereitschaftsdienst: Arbeitszeit und Bezahlung gestalten
Der Bereitschaftsdienst ist in vielen Branchen verankert, vom Rettungsdienst bis zur Energiewirtschaft. Für Arbeitnehmer kann die Bereitschaftszeit ein positives Work Life Blending fördern, jedoch auch zum Stressfaktor avancieren. Wir zeigen, wie Arbeitgeber ihre Mitarbeiter in Bereitschaft gemäß der gesetzlichen Regelung einsetzen, ihre Bezahlung gestalten und ihre Arbeitszeiten erfassen.
- Inhalt
- 1Bereitschaftsdienst – Definition und gesetzliche Regelung
- 2Unterschied zwischen Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft
- 3Voraussetzungen für Bereitschaftsdienste
- 4Ist Bereitschaftsdienst Arbeitszeit?
- 5Bezahlung im Bereitschaftsdienst
- 6Wie viel Bereitschaftsdienst ist erlaubt?
- 7Ruhezeit nach Bereitschaftsdienst
- 8Muss Bereitschaftsdienst im Arbeitsvertrag stehen?
- 9Bereitschaftsdienst gemäß Arbeitsrecht erfassen
- 10Tipps zum Bereitschaftsdienst für Arbeitgeber
- 11Fazit
Bereitschaftsdienst – Definition und gesetzliche Regelung
Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst gewährleisten eine zügige Bereitstellung kurzfristig benötigter Kapazitäten im Unternehmen. Arbeitsrechtlich ist die Bereitschaftszeit mit Arbeitszeit gleichzusetzen. Dennoch muss die Vergütung nicht unbedingt der Vollarbeit entsprechen.
Der erwartbare Arbeitsanteil nimmt im Bereitschaftsdienst per Definition einen geringen Anteil ein. Während arbeitsfreier Phasen innerhalb der Bereitschaft ist es Arbeitnehmern freigestellt, sich zu erholen, zu schlafen oder Medien zu konsumieren. Die Bestimmung ihres Aufenthaltsortes obliegt jedoch dem Arbeitgeber.
Berufe mit genuin notwendigen Bereitschftszeiten sind beispielsweise der Rettungsdienst, die Feuerwehr und die Polizei. Immer häufiger finden Bereitschaftsdienste auch im IT-Sektor Anwendung. Darüber hinaus zählen der öffentliche Nahverkehr, Apotheken, Sicherheitsdienste, Kinderheime, meteorologische Einrichtungen und die Energiewirtschaft zu klassischen Branchen mit Bereitschaftsstunden.
Unterschied zwischen Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft
Der Unterschied zwischen Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft ist im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) klar definiert. Als zentrale Kriterien zur Abgrenzung gelten die zu erfassende Arbeitszeit, die Bestimmung des Aufenthaltsorts, die Frist zur Bereitstellung der Leistung sowie die Vergütung.
Rufbereitschaft | Bereitschaftsdienst | Arbeitsbereitschaft |
---|---|---|
Arbeitsfreie Phasen zählen in Rufbereitschaft nicht zur Arbeitszeit | Auch arbeitsfreie Phasen des Bereitschaftsdienstes zählen zur Arbeitszeit | Auch arbeitsfreie Phasen zählen in Arbeitsbereitschaft zur Arbeitszeit |
Der Arbeitnehmer bestimmt seinen Aufenthaltsort in Rufbereitschaft selbst | Der Arbeitgeber bestimmt den Aufenthaltsort im Bereitschaftsdienst | Der Arbeitgeber bestimmt den Aufenthaltsort in Arbeitsbereitschaft |
Zeitnahe Bereitstellung der Leistung bei Arbeitseinsatz | Zügige Bereitstellung der Leistung bei Arbeitseinsatz | Unmittelbare Bereitstellung der Leistung bei Arbeitseinsatz |
Nur Arbeitseinsätze werden in Rufbereitschaft vergütet | Komplette Bereitschaftszeit wird im Bereitschaftsdienst vergütet | Komplette Arbeitsbereitschaft wird im Bereitschaftsdienst vergütet |
Kürzung der Ruhezeiten ist in Rufbereitschaft möglich | Verlängerung der Höchstarbeitszeit ist im Bereitschaftsdienst möglich | Verlängerung der Höchstarbeitszeit ist in Arbeitsbereitschaft möglich |
Voraussetzungen für Bereitschaftsdienste
Die schriftliche Fixierung über einzelvertragliche oder tarifliche Vorgaben gilt im Arbeitsrecht als grundlegende Voraussetzung für die Einführung eines Bereitschaftsdienstes ins Unternehmen. Zusätzlich müssen der Betriebsrat und bestehende Betriebsvereinbarungen Berücksichtigung finden. Liegt kein schriftliches Einverständnis der Arbeitnehmer vor, können Vorgesetzte sie nicht zum Bereitschaftsdienst verpflichten. Eine Kündigung ist in diesem Kontext unwirksam.
Darüber hinaus sind Schwerbehinderte grundsätzlich von einer Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst ausgenommen. Arbeitnehmer, die in Altersteilzeit arbeiten, dürfen hingegen im Bereitschaftsdienst beschäftigt werden. Mögliche gesundheitliche Einschränkungen sind bei der Ausdehnung der Höchstarbeitszeit oder speziellen Schichten wie Nacht- und Wochenendarbeit in jedem Fall zu berücksichtigen.
Ein fester Arbeitsplatz ist für den Bereitschaftsdienst nicht zwingend erforderlich. Je nach Tätigkeit sind Bereitschaftsstunden auch über eine Zeiterfassung im Homeoffice legitim.
Ist Bereitschaftsdienst Arbeitszeit?
Ja, der Bereitschaftsdienst bildet laut EuGH einen vollumfänglichen Bestandteil der Arbeitszeit. Dies inkludiert auch seine passiven Phasen. Begründen lässt sich dies insbesondere durch die Vorgabe des Aufenthaltsortes durch den Arbeitgeber. Tätigkeiten wie ein Friseur- oder Arztbesuch während der Arbeitszeit werden obsolet, denn Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit.
Wann beginnt Arbeitszeit in Bereitschaft – diese Frage hängt insbesondere vom Ausmaß der Einschränkung ab. In Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst gelten in Rufbereitschaft grundsätzlich nur geleistete Arbeitseinsätze als Arbeitszeit. Dennoch existieren Einzelfälle, in denen Unternehmen eine Rufbereitschaft laut EuGH vollständig vergüten mussten.
Bezahlung im Bereitschaftsdienst
Obwohl Bereitschaftszeiten der Arbeitszeit entsprechen, ist die vertragliche Vereinbarung einer abweichenden Bezahlung des gesamten Bereitschaftsdienstes legitim.
- Sobald eine Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz besteht, muss die Bezahlung der Bereitschaft der Vollarbeit entsprechen.
- Voraussetzung für eine reduzierte Vergütung in Bereitschaftszeiten ist die Fixierung einer schriftlichen Vergütungsvereinbarung.
- Gemäß Mindestlohngesetz darf der Stundenlohn im Bereitschaftsdienst 12,82€ nicht unterschreiten (Stand 2025).
- Mögliche Nacht- und Feiertagszuschläge sind auch im Bereitschaftsdienst zu berücksichtigen.
- Die Zusammensetzung des Entgelts muss in der Lohnabrechnung ersichtlich sein.
Gängige Tarifverträge greifen im Bereitschaftsdienst den sogenannten Heranziehungsanteil auf. Er beschreibt den üblichen Anteil der Vollarbeit, die während eines Bereitschaftszeiten anfällt. So dürfen Bereitschaftsstunden beispielsweise mit einem Anteil von 30% des regulären Entgelts vergütet werden.
Wie viel Bereitschaftsdienst ist erlaubt?
Wie viel Bereitschaftsdienst erlaubt ist, orientiert sich an der zulässigen Höchstarbeitszeit von acht Stunden im Sechs-Monats-Durchschnitt. Denn laut Arbeitsrecht ist die Bereitschaftszeit in vollem Umfang auf die Arbeitszeit anzurechnen. Daher gilt die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden als Limit.
Abweichend hiervon können Arbeitgeber die zulässige Arbeitszeit über Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen verlängern (§ 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG). Etabliert ist insbesondere die sogenannte Opt-out-Regel, die der schriftlichen Zustimmung des Mitarbeiters bedarf. Sie erlaubt eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit in Bereitschaft über zehn Stunden hinaus. Allerdings nur, sofern Vorgesetzte die Gesundheit der Arbeitnehmer sicherstellen und die Bereitschaft einen erheblichen Anteil von mindestens 25-30% einnimmt. Elementar ist auch, dass ein Schnitt von acht täglichen Arbeitsstunden im Zwölf-Monats-Durchschnitt gewahrt bleibt.
Opt-out-Regel im Bereitschaftsdienst – Beispiel
Ein Arbeitnehmer erbringt eine Schicht von 13:00 bis 20 Uhr mit einer halben Stunde Pause:
- Arbeitszeit Montag: 13:00 - 20:00 Uhr (6,5 Stunden)
Daran anschließend beginnt sein Bereitschaftsdienst, der bis 8 Uhr morgens andauert:
- Bereitschaftsdienst Montag / Dienstag: 20:00 - 8:00 Uhr (12 Stunden)
Nach dem Bereitschaftsdienst ermöglicht das Arbeitsrecht eine restliche Arbeitszeit von eineinhalb Stunden bis zur Erreichung seines Arbeitspensums von 8 Stunden ohne Ruhezeit:
- Arbeitszeit Dienstag: 8:00 - 9:30 Uhr (1,5 Stunde)
Darüber hinaus erlaubt das Arbeitszeitgesetz maximal 24 Stunden Bereitschaftsdienst. Dies müssen HR-Verantwortliche bei der Erstellung ihrer Schichtmodelle berücksichtigen.
Ruhezeit nach Bereitschaftsdienst
Die notwendige Ruhezeit nach dem Bereitschaftsdienst umfasst elf Stunden – analog zur gesetzlichen Regelung für Vollarbeit. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) schreibt nach dem Bereitschaftsdienst auch dann Ruhezeiten vor, wenn kein Arbeitseinsatz erbracht wurde.
Darüber hinaus sind im Bereitschaftsdienst gesetzliche Pausenzeiten regelmäßig einzuhalten. Denn eine inaktive Bereitschaft ersetzt gemäß Arbeitszeitgesetz (ArbZG) keine Ruhepause. Der Gesetzgeber verweist dennoch auf eine Einzelfall-Prüfung. Um einen Erholungseffekt zu gewährleisten, sollten Vorgesetzte sicherstellen, dass Arbeitnehmer in Bereitschaft alle entstehenden Pausen richtig nutzen.
Muss Bereitschaftsdienst im Arbeitsvertrag stehen?
Ja, sofern keine Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen bestehen, muss der Bereitschaftsdienst explizit im Arbeitsvertrag stehen. Bei reduzierter Bezahlung ist eine Vergütungsvereinbarung obligatorisch.
Bereitschaftsdienst gemäß Arbeitsrecht erfassen
Da es sich beim Bereitschaftsdienst um Arbeitszeit handelt, unterstellt das geltende Arbeitsrecht ihn in vollem Umfang der Zeiterfassungspflicht. Daher muss die Arbeitszeiterfassung vom Beginn bis zum Ende der Bereitschaftszeit aktiv sein. Dies macht eine Zeiterfassung mit Stoppuhr für einzelne Einsätze, wie sie beispielsweise in Rufbereitschaft Anwendung findet, obsolet. Alle erbrachten Bereitschaftsstunden werden idealerweise über ein elektronisches Arbeitszeitkonto erfasst und entsprechend verbucht. So lässt sich auch die Einhaltung von Pausen und Ruhezeiten sicherstellen.
Tipps zum Bereitschaftsdienst für Arbeitgeber
- HR-Verantwortliche, die einen Schichtplan erstellen, müssen die gerechte Verteilung des Bereitschaftsdienstes unter verfügbaren Mitarbeitern gewährleisten. Dienstplaner online unterstützen eine effiziente und belastbare Personaleinsatzplanung inklusive Pausen, Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten..
- Insbesondere Arbeitgeber, die sich für eine verringerte Bezahlung im Bereitschaftsdienst entscheiden, sollten die Einschränkungen ihrer Mitarbeiter anerkennen und Maßnahmen zur Wertschätzung im Unternehmen etablieren.
- Die Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben lässt sich über leistungsstarke Zeiterfassungssysteme mit Alarmcenter automatisieren und zuverlässig überprüfen.
Fazit
Der Bereitschaftsdienst geht mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit einher, die nicht immer im Interessen von Arbeitnehmern steht. Im Rahmen der Mitarbeiterbindung sollten Bereitschaftszeiten daher nur Anwendung finden, sofern es für die Aufrechterhaltung des Betriebes unbedingt notwendig ist.
Obwohl eine verringerte Vergütung für Bereitschaftsstunden zulässig ist, empfiehlt sich eine vollwertige Bezahlung im Bereitschaftsdienst. Sie dient als Anreizsystem und Instrument im Employer Branding. Darüber hinaus unterstreicht eine lückenlose Zeiterfassung die fairen und gesetzeskonformen Arbeitsbedingungen im Bereitschaftsdienst.
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